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Per E-Mail: a) Was ist Arbeit? Auf den ersten Blick erscheint uns Arbeit als überzeitliches Prinzip: Wir alle müssen arbeiten, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Das war doch schon immer so. War es aber nicht. Denn näher betrachtet, entpuppt sich Arbeit zumindest in ihrer abstrakten Form als eine Erfindung der Moderne - als Integrations- und Gestaltungsmuster, das sämtliche gesellschaftliche Teilsysteme nach ihren Erfordernissen umstrukturiert hat. b) Ist, wie die Vollbeschäftigung in der alten DDR, auch die Behauptung eines Rückganges der Arbeitslosenzahlen unter den gegenwärtigen Prämissen überhaupt als möglich einzustufen? Die staatssozialistische Vollbeschäftigung der DDR beruhte auch auf einer enormen Unproduktivität ihrer Wirtschaftsordnung, die bereits vor dem Sprung in die arbeitssparende Mikroelektronik das Zeitliche segnete, weil der Versuch fehlschlug, eine alternative Verwaltung des Kapitals effektiv zu organisieren. Gerade deswegen erscheint auch der Weg in die privatkapitalistische Vollbeschäftigung künftig versperrt: Arbeit ist aufgrund ihrer Mikrolektronisierung zu produktiv, als dass sie Beschäftigung für jeden garantieren könnte. Vollbeschäftigung oder auch nur ein Zuwachs an Arbeitsplätzen erscheinen nur noch durch den Zauber der Statistik oder durch die Inkaufnahme verschärfter Zumutbarkeit möglich. c) Ein anderer sozialistischer Terminus, das "Recht auf Arbeit", kann mit der "Untastbarkeit der Würde des Menschen" in Verbindung gebracht werden. Glauben Sie, dass es als ein Grundbedürfnis gelten kann, sich zu betätigen, zu arbeiten? Möglich, dass die Menschen das Prinzip der Arbeit so sehr verinnerlicht haben, dass sie es als Menschenrecht begreifen. Wenn Arbeit für alle aber nicht mehr möglich ist, sollte das Recht der Arbeit, das im übrigen auch in einigen Landesverfassungen der Bundesrepublik erwähnt wird, ungewandelt werden in ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben und gesellschaftliche Teilhabe ohne die Gegenleistung der Arbeit. d) Was ist Arbeitslosigkeit? Für jeden einzelnen ohne alternative Einkünfte oder Sozialallianzen vielfach eine persönliche Katastrophe, gesamtgesellschaftlich wenigstens eine Irritation der bestehenden Wirtschafts- und Sozialordnung, zugleich aber auch der Verweis auf eine alternative Gesellschaft, in der Arbeit nicht mehr das vorherrschende Ordnungsprinzip darstellen könnte. e) Gehören zur Gruppe der Arbeitslosen auch Hausfrauen, Kinder, Rentner, speziell auch die ostdeutschen verheirateten Frauen, die offensichtlich nach dem ALG II ab Anfang nächsten Jahres in großer Zahl nicht mehr bezugsberechtigt sein werden? Nicht solange diese Menschen in entsprechenden kommunitären Bezügen leben bzw. Transferleistungen beziehen, die die Abwesenheit von Arbeit möglich machen. f) Müßiggang ist aller Laster Anfang. Ist dieser Spruch unserer Altvorderen noch aufrecht zu erhalten, oder muss unter den gegenwärtigen Bedingungen auch neu über den Begriff "Müßiggang" unddavon ausgehend über "Tätigkeit" nachgedacht werden? Fragt sich zuerst, wer darüber nachdenken müsste. Jene gesellschaftlichen Gruppen, die an einer Aufrechterhaltung einer arbeitenden Gesellschaft interessiert sind, müssen den Müßiggang fürchten. Das Kanzlerwort "Es gibt kein Recht auf Faulheit" diente ja nicht nur der Legitimierung des Abbaus von Sozialleistungen, es stigmatisierte zugleich das offenbar von einigen bevorzugte Prinzip der Nichtarbeit, das die bestehende Wirtschafts- und Sozialordnung wenigstens tendenziell untergräbt. |
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